MARCEL KITTEL

Folge deinem Herzen

Der ehemalige Radprofi Marcel Kittel ist nicht nur für seine 32 World Tour Etappensiege im Sprint berühmt geworden, sondern auch dafür, sich über Konventionen hinwegzusetzen.

Man muss sich gar nicht lange mit Marcel Kittel unterhalten, um festzustellen, dass er stets seinem Herzen folgt. „Mir war es immer wichtig, das zu tun, was ich für richtig halte“, sagt Kittel und fügt hinzu: „Ich folge dem kleinen Kompass in mir, der mir den Weg weist.“ Genau diese Lebenseinstellung brachte den damals 22-Jährigen - was nicht unbedingt für Begeisterung bei seinen Eltern sorgte – im Jahre 2010 dazu, das Informatikstudium abzubrechen und sich dank der Aufnahme in das niederländische Profiteam Skil-Shimano ganz dem professionellen Radsport zu widmen. Neun Jahre später folgte er erneut seinem Herzen und traf eine noch größere Entscheidung, nämlich den Profiradsport an den Nagel zu hängen. Der Arnstädter ist allerdings nicht nur irgendein Radprofi.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere wurde er als einer der schnellsten Sprinter der Welt gefeiert. Der 1,87m große, muskulöse Kittel stellte sich bei Strecken vom Grand Départ zur Champs-Élysées Gegnern wie Sagan, Cavendish oder Greipel und gewann durch seinen kraftvollen Sprint viele der prestigeträchtigsten Sprints der Radsportsaison – auf Strecken vom Grand Départ bis zur Champs-Élysées.

EIN NEUES LEBEN

„Solch eine Entscheidung zu treffen ist sehr schwer“, räumt Kittel ein. „Man muss abwägen, was gut für einen ist und dabei tief in sich gehen. Als ich den Vertrag mit meinem letzten Team aufgelöst hatte, suchte ich umgehend nach einem neuen Team- das erschien mir als der logischste nächste Schritt. Plötzlich aber war ich frei und ungebunden ohne Verpflichtungen und hatte Zeit, darüber nachzudenken, was mich wirklich glücklich macht und was ich in Zukunft machen möchte.“

„Ich stellte fest, dass sich meine Prioritäten und auch meine Sichtweise auf meine Karriere als Radprofi geändert hatten. Ich liebte die Zeit als professioneller Radsportler, aber ich habe auch gemerkt, dass ich meine Leidenschaft dafür verloren hatte“, erklärt Kittel.

„2015 war eine schwierige Saison für mich, da ich aufgrund von Krankheit zu Beginn des Jahres meine gesteckten Ziele nicht erreichen konnte. Nach vielen erfolgreichen Jahren war dies eine echt harte Zeit für mich und ich merkte, wie mir der Sport und das Profidasein mir zum ersten Mal wirklich weh taten und den Spaß nahmen. Also entschloss ich mich, Dinge in meinem Leben zu verändern. Ich wechselte das Team, zog von der Heimat weg und trainierte über den Winter in Spanien, um mir neue Ziele und Herausforderungen zu setzen. Das half mir sehr dabei, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen und ich lernte einiges dabei.

Nach zwei sehr erfolgreichen Jahren bei Quickstep dachte ich, dass mir Veränderung gut tue und ich wechselte erneut das Team. Leider verlief nicht alles so wie geplant und ich stand wieder vor der Frage: ‚Was macht mich glücklich? Und will ich das hier immer noch?‘ Ich habe sehr lange darüber nachgedacht. Am Ende war mir klar, dass ich etwas Anderes im Leben möchte und somit beendete ich meine professionelle Radsportkarriere.“

Als Kittel im August 2019 seinen Rücktritt bekannt gab, war er kurz davor, zum ersten Mal Vater zu werden. „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, den Profiradsport und das Vatersein unter einen Hut zu bekommen. Ich wollte dabei sein, wenn meine Kinder aufwachsen. Daher fand ich die Vorstellung, einen neuen Vertrag zu unterschreiben, immer weniger ansprechend und ich entschloss mich, einen neuen Weg zu finden um meine Leidenschaft fürs Radfahren mit mehr Freiraum für neue Dinge in meinem Leben zu kombinieren“, meint Kittel.

„Ich habe nach neuen Wegen gesucht, meine Leidenschaft fürs Radfahren mit dem Wandel in meinen Leben zu vereinen.“

Heute verbringt Kittel viel mehr Zeit zu Hause mit seiner Freundin Tess, die selbst Ex-Profisportlerin ist, und seinem Sohn Lex im schweizerischen Kreuzlingen - ein Ort, der alles bietet, was man als leidenschaftlicher Fahrradfahrer braucht: steile Berge, lange Abfahrten, saftige grüne Wälder und natürlich das Ufer des Bodensees. Und während Kittel nun das neue Familienglück zu Hause genießt und weniger Zeit im Sattel verbringt, erlebt seine Beziehung zum Fahrradfahren gerade ihren ganz eigenen Neuanfang. Jetzt kann sich Kittel jede Disziplin frei aussuchen, was sich auch in seiner riesigen Radkollektion widerspiegelt, die aus Rennrad-, Cyclocross-, Gravel, Cross-Country- und Mountainbikerädern besteht.

Obwohl er sein Leben, jenseits von der World Tour Bühne mit viel Freude angeht, muss er sich eingestehen, dass er einen Ausgleich zu seinem Alltag braucht, einen Ausgleich zur Vaterrolle und zum Leben eines Wirtschaftsstudenten. Warum hat er sich also für Endura entschieden? Und warum gerade jetzt? „Ich wollte den Profiradsport nicht einfach hinter mir lassen, um etwas komplett Anderes tun. Mir war wichtig, weiterhin einen gewissen Bezug zum Radsport zu haben. Ich bin definitiv stolz auf meine Karriere und fahre immer noch liebend gern Rad“, erklärt Kittel.

„Deshalb suchte ich nach etwas, was meine Leidenschaft für den Sport wieder erwecken und mich auf das konzentrieren lassen würde, was ich am Radfahren so liebe. Draußen in der Natur zu sein, Spaß mit Freunden zu haben und für ein paar Stunden den Rest der Welt zu vergessen. Nicht unter Druck zu stehen, sondern einfach nur Spaß zu haben.

Ich wollte auch nicht gleich mit der nächstbesten Fahrradmarke zusammenzuarbeiten, sondern ich machte meine Wahl bewusst davon abhängig, was sich natürlich anfühlte und auf gemeinsamen Werten und Ideen beruhte. Als ich Pam und Jim traf und die Firma Endura kennenlernte, merkte ich gleich, dass dies eine richtig gute und ehrliche Partnerschaft sein würde. Es ist genial, nun Teil von Endura zu sein und ich freue mich darauf, gemeinsam mit ihnen gute und innovative Produkte zu entwickeln und dabei Spaß am Biken zu haben.

MARCEL KITTEL
MARCEL KITTEL
MARCEL KITTEL
MARCEL KITTEL

POSITIV BLEIBEN

„Jeder Mensch fährt aus unterschiedlichen Gründen Rad, und selbst wenn es dich manchmal an deine Grenzen bringt - wichtig ist, dass es dich auf jeden Fall glücklich macht."

Kittels Erfolge bringen natürlich auch viel Erfahrung mit sich, was Enduras Profikollektionen wie der Pro SL Linie in ihrer stetigen Weiterentwicklung zu Gute kommen wird. Marcel Kittel freut sich aber auch darauf, bei der Produktentwicklung in Sachen Fahrradbekleidung für Pendler und Freizeitsportler zur Seite zu stehen, um zum Wachstum des Radsports außerhalb der professionellen Szene beizutragen und um seinem neuen, etwas alltäglicheren Lifestyle gerecht zu werden.

„In der Radsportbranche findet gerade ein Wandel statt“, meint er. „Heimtrainer mit Virtual Reality und Gravel sind gerade voll im Trend, sowie auch E-Bikes. Zudem bekommen Frauen endlich mehr verdiente Anerkennung und es wäre natürlich cool, wenn sich gerade hier noch mehr verändern würde.“

Kittel scheut sich nicht davor, Dinge anzusprechen, die sich im Radsport zutragen. „Ich habe schon immer das gesagt, was ich denke. Es ist einfach wichtig, eine eigene Meinung zu haben. Man muss sicher nicht alles kommentieren, aber manchmal ist es einfach notwendig.“ Dabei bezieht sich Kittel vor allem auf das Dopingproblem im professionellen Radsport. Als er in der Pro-Szene ankam, machte der Sport gerade harte Zeiten durch. „Es war damals wichtig aufzuzeigen, dass nicht alle Profiradsportler dopen und mit unfairen Mitteln kämpfen“, meint er. „Darüber zu reden hilft dabei, den Sport voranzutreiben.“ Und dies gelang auch.

Die Arbeit ist zwar damit noch lange nicht getan, aber dennoch glaubt Kittel fest daran, dass er, zusammen mit zahlreichen anderen FahrerInnen und Teams viel dazu beigetragen hat, den Sport während seiner Karriere zu verändern. Kittels Hinterlassenschaft im Radsport zeichnet aber noch viel mehr aus, als seine zahlreichen Siege im Sprint, die Zeiten im gelben Trikot und seine berühmte Haartolle.

MEHR ALS NUR EIN SIEGER

„Meine Erfolge werden in die Geschichtsbücher eingehen, das habe ich geschafft. Letztenendes wäre es aber mein persönlicher Wunsch, dass meine Entscheidung etwas Neues zu machen, von den Leuten auch so gesehen wird, dass das Leben keine Einbahnstraße sein muss - es gibt nicht nur diesen einen Weg. Im Laufe des Lebens werden einem so viele Möglichkeiten geboten, egal, ob man sich dazu entscheidet, Profisportler zu werden, oder Gitarrenspieler. Man sollte immer das tun, was für einen richtig ist. Wenn man das tut, dann ist es wahrscheinlich nie zu spät für Veränderungen.“

„Das Leben ist keine Einbahnstraße, es werden einem so viele Möglichkeiten geboten, egal, ob man sich dazu entscheidet Profisportler zu werden, oder Gitarrenspieler. Es ist nie zu spät.“

„Es ist aber auch wichtig zu erkennen, dass man nicht immer seinen Träumen voll und ganz folgen kann, so wie ich es letztes Jahr getan habe. Man muss immerhin auch seinen Lebensunterhalt verdienen. Aber wenn du einen Weg ans Ziel deiner Träume findest, dann ergreife ihn. Damit kann man nicht falsch liegen“, meint Kittel mit Überzeugung.

„Ich habe damals nicht mit dem Ziel begonnen, Radprofi zu werden oder Etappensiege bei der Tour de France einzufahren. Ich bin einfach Fahrrad gefahren, weil es mir Spaß machte, und plötzlich hat sich mir einfach diese Chance geboten. Und wenn ich jetzt morgens neben meiner Familie aufwache, bereue ich keine meiner Entscheidungen. Schließlich ist es so, wenn du nur ein wenig auf dein Herz hörst, wirst du nichts falsch machen werden. Davon bin ich voll und ganz überzeugt.“


FOOTNOTESWords by Janine Doggett, Photos by Eilidh McKibbin. Portavadie, Tighnabruaich, UK

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