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GEE ATHERTON

#ForceForGood

Ich frage mich seit Stunden: Wie fängt man am besten ein Interview mit dem zweifachen Weltmeister und 9-fachen Weltcup Gewinner Gee Atherton an. Da gibt es einmal das Offensichtliche: Er ist einer der erfolgreichsten Downhill-Fahrer einer ganzen Generation, ein Fahrer der es auf Podestplätze bei Red Bull Rampage-Events geschafft hat. Mit seinem älteren Bruder Dan und der jüngeren Schwester Rachel, ist er das Sandwichkind der Atherton-Geschwister. Das sind alles Dinge, die bekannt sind.

Und dennoch ist vieles anders im Jahr 2020. Wir befinden uns inmitten einer Pandemie und einer Klimakrise. Dieses Jahr finden keine internationalen Downhill-Rennen statt. Niemand weiß, was das Jahr 2021 bereithält.

Viele Fahrer sind gerade arbeitslos, die Gesellschaft muss sich den verschiedenen Herausforderungen stellen und Einreiseverbote dominieren die Schlagzeilen.

Genau das kann es auch bedeuten, ein Weltklassefahrer zu sein. Wenn man nämlich hinter die Fassade blickt, merkt man schnell, dass das Leben eines Profifahrers häufig sehr eingeschränkt ist und sich die mentale Energie auf kleine Bereiche fokussiert, die häufig weniger als 2 Meter breit und 3km lang sind.

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Was diesen Schmutzstreifen an Größe fehlt, machen sie in ihrer Komplexität wieder wett - Wurzeln, Felsen, Sprünge und das Zusammensetzen magischer Sequenzen, die den effizientesten Weg zur Ziellinie schaffen.

Die Weltcup-Serie könnte eine abstrakte Widerspiegelung der Zeit sein, in der wir uns gerade befinden - es gelten weltweit dieselben Ziele, mit ähnlichen, komplexen Herausforderungen, die auf lokaler Ebene angegangen werden müssen.

Wir treffen uns eigentlich, um uns übers Biken zu unterhalten, aber ich komme nicht umhin mich zu fragen, ob sich Gees Einstellung durch die Corona-Krise vielleicht geändert hat. „Durch Corona war ich dazu gezwungen mal einen Schritt zurückzugehen“, räumt er ein. „Wenn man Rennen fährt ist man stark an die Saison gebunden. Im Winter habe ich so hart trainiert wie immer und das getan, was ich um diese Zeit immer tue.“

“Eigentlich will ich immer nur Fahrradfahren.“

Da die Marke Atherton sehr vielseitig aufgestellt ist - da wären einmal die Athertons als Athleten, sowie der eigene Bikepark und auch die Fahrradmarke - gehen ihnen die Projekte sicherlich so schnell nicht aus. Für Gee Atherton war aber trotzdem eines immer klar: “Eigentlich will ich immer nur Fahrradfahren.“

Gee ist auf den oberen Rängen der Weltcup-Strecke einer der angenehmsten Fahrer. Er ist sehr wortgewandt und strahlt bei Interviews mit der Presse immer eine gewisse Ruhe aus. Trotzdem hat man immer noch das Gefühl, dass, genau wie bei seinem Bruder Dan Atherton, ein verstecktes Feuer in ihm lodert, dass nur darauf wartet entfacht zu werden.

Es gab aber viele Adrenalinmomente, die Gees Fans immer noch gut in Erinnerung geblieben sind.

GEE ATHERTON #ForceForGood
GEE ATHERTON #ForceForGood
GEE ATHERTON #ForceForGood

Dabei hat er nicht immer gemerkt, dass er in diesen Moment gerade ans Limit geht. Da wäre zum Beispiel die Red Bull Rampage im Jahr 2003, bei der er sich dazu entschied außerhalb der vorgegebenen Rennstrecke zu fahren, einfach um sein Können zu demonstrieren. Ein anderes Beispiel wäre sein Sieg bei der Weltmeisterschaft in Schladming mit gerade mal 19 Jahren. Unzählige Videos von Red Bull Hardline, über das Schießen von Snow-Ski-Sprüngen bis hin zur klassischen Atherton-Serie festigten nicht nur seinen Status als Rennfahrer, sondern als Allrounder, der immer den Mut hat, neue Dinge auszuprobieren.

Während sich Gee Atherton damit abgefunden hat, dass er für seine Fähigkeiten bewundert wird, ist er dennoch immer auf dem Boden der Tatsachen geblieben. Es mag sein, dass er nicht oft hinfällt, aber wenn es passiert, dann immer mit gewaltiger Wucht.

Jeder, der seine Unfälle auf der Rennstrecke gesehen hat, weiß, warum er Downhill als brutalen Sport bezeichnet. Man erinnere sich nur an den Aufprall auf Mont Sainte-Anne in Kanada im Jahr 2012, sowie auch 2013, als er sogar noch weiterfuhr. Außerdem wäre da noch der Aufprall im schottischen Fort William im Jahr 2017.

„Ich habe mich nie als einen besonders harten Typen bezeichnet, ich wollte einfach immer mehr ans Fahren denken, als ans Aufprallen...“

Wie jeder Profifahrer hat auch Gee versucht, die Auswirkungen des Sports auf seinen Körper einzuschränken. „Ich habe schon frühzeitig gesehen, wie Verletzungen ganze Karrieren zerstört haben. Wir haben alle sehr hart daran gearbeitet, dass unser Körper so gut es geht damit umgehen kann.“Sich auf seine körperlichen Fähigkeiten, die man sich jenseits der Rennstrecke angeeignet hat, zu verlassen ist eine Sache. Das wichtigste ist allerdings einen kühlen Kopf zu bewahren. In den Kommentarspalten im Internet wird Gee Atherton genau dafür gelobt, nämlich für seine Fähigkeit einfach mal die Ärmel hochzukrempeln und weiterzumachen. „Ich habe mich nie als einen besonders harten Typen bezeichnet, ich wollte einfach immer mehr ans Fahren denken, als ans Aufprallen. Zwischen 2002 und 2016 habe ich nicht einen einzigen Weltcup verpasst. Ich hätte sogar teilgenommen, wenn man mir die Hände an den Lenkern hätte festbinden müssen. Es ist eigentlich ganz einfach: Alles, was ich immer wollte, ist Fahrradfahren.“

Es mag vielleicht überraschend sein, dass der Erfolg, sowie auch die Einstellung der Athertons von allen gleichermaßen geteilt wird; alle sind in einem Boot und stehen alle Höhen und Tiefen gemeinsam durch.

Rachel Atherton, die wohl erfolgreichste Rennfahrerin aller Zeiten, will immer gewinnen; eine Eigenschaft seiner Schwester, die Gee immer wieder gerne hervorhebt: „Meiner Ansicht nach ist sie die beste Fahrerin aller Zeiten, niemand kann sich wirklich mit ihrem Erfolg messen. Rachel will um jeden Preis gewinnen, während Dan immer das große Ganze im Blick hat, wo es nicht auf einzelne Details ankommt. Er ist sehr ehrgeizig und hat eine unglaubliche Energie, mit der er das Unmögliche möglich macht.“

Gee Atherton

Es ist wirklich bemerkenswert, wenn drei Weltklassefahrer aus ein und derselben Familie stammen. Es ist dann sogar noch bemerkenswerter, wenn alle drei im Laufe ihrer Karriere zusammenbleiben und eine Trennung auch nie auf dem Programm steht. „Klar hatten wir auch schon Angebote auf dem Tisch liegen, wo wir uns dann alle zusammengesetzt haben, um zu beratschlagen, was zu tun ist. Unser Respekt füreinander geht aber weit über die Tatsache, dass wir miteinander verwandt sind, hinaus. Ich habe wahnsinnigen Respekt für meine Geschwister als Profifahrer. Wir sind ein Team. Wenn ich das Ganze mal egoistisch betrachte, dann kann ich sagen, dass sie mich zu einem besseren Fahrer gemacht haben und mir dabei geholfen haben, mich weiterzuentwickeln.“

Auch heute halten die drei immer zusammen. Während unseres Interviews informiert mich Gee über sein neues Videoprojekt, dass er als ‚eines der krassesten seit Jahren‘ bezeichnet und, dass er mit Dan und Rachel so viel wie noch nie im gemeinsamen Bikepark gefahren ist. „Uns ist es enorm wichtig, uns mit Leuten zu umgeben, die uns wichtig sind“, fügt Atherton hinzu. Dann fährt er fort: „Wir sehen das, was wir tun als unser Lebenswerk an und es spiegelt wider, wer wir wirklich sind. Um das mit anderen Menschen teilen zu können, ist eine große Portion Vertrauen und Freundschaft notwendig.“

Seit sie vor mehr als 15 Jahren nach Wales gezogen sind und zu ihrer Wahlheimat machten, haben die Atherton Geschwister ihre Umgebung sehr wertzuschätzen gelernt, denn, wenn man internationalen Ruhm genießt, ist es schön zuhause von nichts, außer nebligen Bergen umgeben zu sein.

„Die Corona-Krise hat mir zwei Dinge klargemacht, und zwar, dass wir durchaus dazu in der Lage sind uns einer Notsituation anzupassen und, dass ich die Rennen, das Filmen und das Fahrradfahren einfach liebe und sich das auch nie ändern wird.“

Als er sich zurückerinnert, sieht Gee aber noch die andere Seite seiner walisischen Wahlheimat. „Es war zunächst Dans (Affys) Vision. Ich fokussiere mich immer eher auf die Details und nicht auf das große Ganze, deshalb konnte ich es zu Beginn nicht immer ganz begreifen. Über die Jahre hinweg hat Dan dann Rennstrecken gebaut, sich mit dem Grundstückbesitzer angefreundet, damit wir dann letztenendes die Möglichkeit hatten 263 Hektar Land zu kaufen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr sich Affy damals gefreut hat. Für uns war genau zu diesem Zeitpunkt klar, dass aus der Vision Wirklichkeit werden würde.

Der Bikepark bietet unzählige Möglichkeiten, angefangen von Fahrradtests, über Videodrehs, bis hin zur Gründung eines Fahrradclubs in der ländlichen Gegend von Wales. Gee schöpft aber bereits weitere Möglichkeiten aus: „Plötzlich hatten wir die Möglichkeit mit Natural Resources Wales – einer Behörde für Naturschutz in Wales - zusammenzuarbeiten. An der Stelle, an der wir die Sitka-Fichte gefällt haben, wollen wir nun eine neue Baumart anpflanzen, die zur Landschaft, der Tierwelt und der Verbesserung der Bodenbeschaffenheit beiträgt. Die Klimakrise ist vielen Mountainbikern noch fremd und die Tatsache, dass wir jetzt mit Landbewirtschaftungspraktiken beauftragt wurden, lässt uns Veränderungen bemerken und gibt uns die Verantwortung uns gut um unseren Grund und Boden zu kümmern. Affy macht da das Meiste, aber wir alle drei wissen, dass das unsere Pflicht ist und keine zusätzliche Luxusaufgabe.“

Sich den Herausforderungen zu stellen, hat Gee einfach in den Genen und mit der Unterstützung von drei ebenso ehrgeizigen Geschwistern schleicht sich bei mir das Gefühl ein, dass er nicht so schnell in den Ruhestand gehen wird. „Die Corona-Krise hat mir zwei Dinge klargemacht, und zwar, dass wir durchaus dazu in der Lage sind uns einer Notsituation anzupassen und, dass ich die Rennen, das Filmen und das Fahrradfahren einfach liebe und sich das auch nie ändern wird.“


Footnotes Words by Tommy Wilkinson, Photos by Dan Griffith. Dyfi Bike Park, Pantperthog, Machynlleth, UK

© 2021 ENDURA

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